„Badische Perlen“ in und um Freiburg

Bei all dem Gejammer und Gemaule in der Gastronomie, teils zu Recht und teils halt auch hausgemacht, fragen sich viele, ob es diese typischen badischen Gasthäuser und Wirtschaften überhaupt noch gibt. Die klassische badische Hausmannskost, die schmeckt, wie die Großmutter oder die Mutter vor 50 Jahren gekocht hat. Damals wurden mit teils klammen Geldbeuteln hervorragend schmeckende Mittag- und Abendessen – natürlich immer frisch – zubereitet. Es wurden viele Innereien, wie Sulz, Leberle, Nierle, Zunge oder Kalbskopf aufgetischt, mal sauer oder geröstet oder an einer herrlichen hellen Sauce mit viel Wein. Ich erinnere, es gab auf dem Freiburger Münstermarkt einen Stand, der nur Sulz, also Kutteln, verkauft hat. Und dies in den verschiedenen Qualitätsstufen der unterschiedlichen Pansen-Teile. Sulz, das gab es bei meinen Großeltern zweimal die Woche und war bis zu ihrem Tod, das Lieblingsgericht meiner Mutter. Früh geübter Umami-Geschmack, wie ein Stückchen Lyonerwurst vom Metzger oder eine frisch gekochte Ochsenbrust aus dem Sud am Sonntagmittag. Damals hatten noch viele einen Kräuter- und Gemüsegarten hinterm Haus oder man ging fast täglich auf den Markt oder gleich direkt zum Bauern. Essen gehen mit der ganzen Familie war immer ein Happening der besonderen Art und die Schlussrechnungen waren so, dass man sich schon auf ein baldiges nächstes Mal freute.

Und heute? Wirklich alles nur sentimentale Erinnerungen an die gute alte Zeit?

Man muss suchen und man ist hoffentlich im Besitz eines Geschmackssensoriums, um solche liebevoll zubereiteten, einfachen Speisen aus guten, und meist erschwinglichen Grundprodukten überhaupt zu erkennen, besser noch zu er-schmecken. Und dazu wird in diesen fast in der Zeit stehen gebliebenen Wirtshäusern, die Speisen durchweg zu mehr als zivilen Preisen angeboten.  


Zum Jahreswechsel macht ein solcher Tempel der urbadischen Gastlichkeit, der Gasthof Ochsen in Emmendingen-Wasser, leider seine Pforten zu. Die Familie Limburger schließt altersbedingt eine der besten badischen (Ur)Küchen, die es in unseren Breiten gegeben hat. Einfach gut – das war das Motto über Jahrzehnte mit einer in Stein gemeißelten Speisekarte. Unbedingt nochmal hingehen! Wir ziehen mit Hochachtung den Hut – der Kartoffelsalat war immer schlicht großartig.


Leider erst vor kurzem haben wir die Frohe Einkehr der Familie Kuner in Merzhausen bei Freiburg entdeckt. Schnörkellose badische (Ur)Küche mit großen Portionen. Es gibt frisch zubereiteten, handgeschnittenen Wurstsalat ohne jeden Schnickschnack. Beste hausgemachte gemischte Salate, frisch und knackig, Saure Leberle oder geröstete Sulz und gekochtes Ochsenfleisch, eigene Maultaschen und eigenen Wein.


Eine höchst willkommene Entdeckung ist für uns auch das Gasthaus Fortuna der Familie Tränkle in Waltershofen. In der kleinen Gaststube, unbedingt reservieren, werden großartig zubereitete badische (Ur)Klassiker aufgetischt. Auch hier wird alles frisch zubereitet, wird mit viel Herz und Können gekocht und serviert. Ob der exzellente Wurstsalat, der liebevolle kleine gemischte Salat oder das Cordon Bleu oder ein perfekt gegartes halbes Hähnchen. Fast alles gibt es auch als halbe Portionen, sehr klug! Beste einfache Hausmannskost, die einfach nur saugut schmeckt.

Lassen Sie mich zum Schluss noch notieren: ich würde mir wünschen, unsere jungen ambitionierten Köchinnen und Köche, die von den Sternen träumen, würden alle in solchen Gasthäusern mal mindestens essen gehen. So gut kann – einfach gut gekocht – schmecken und auf das ganze sonstige Brimborium und den Drei-Hauptworte-Hype kann getrost verzichtet werden.

 
Christian Hodeige