Osteria Mamma Rosa in Mailand – Bellissimo!
Es war einmal ein heißer Sommertag in Mailand im August. Die Stadt ist wie ausgestorben, die Mailänder haben sich alle an die Küste oder in die Toskana verzogen. In manchen Straßenzügen kommt man sich fast verlassen vor. Wer in diesen Wochen in Mailand zum Einkaufen ist, kann sich der ungeteilten Aufmerksamkeit des Verkaufspersonals sicher sein, sofern das Ladengeschäft überhaupt geöffnet ist.
Eine herrliche Zeit um in Mailand herumzubummeln und sich treiben zu lassen. Mailand ist eine meiner Lieblingstädte in Italien, man muss sich die Stadt aber erschließen, da sie sich dem üblichen Tourismus-Zirkus eher verschließt. Mit UBER lässt es sich recht preiswert kreuz und quer durch die geschichtsträchtige Metropole kutschieren. Vor dem Essen gehen sollte man sich in diesen Wochen sicher sein, dass ein gewünschtes Restaurant auch offen ist, also immer anrufen und reservieren.
Gerne möchte ich an dieser Stelle über einen kulinarischen Trend in der von mir so geliebten italienischen Küche schreiben, der einerseits schon lang keiner mehr ist und andererseits von keiner anderen europäischen Küche so ins tägliche Repertoire aufgenommen wurde, wie das die Italiener vorgemacht haben. Die Rede ist von Pesce Crude, also rohem Fisch, Italiens Antwort auf Japanisches Sashimi. Ich habe das zum ersten Mal im berühmten italienischen Spitzenreaturant Marea in New York zum Ende der 1990 Jahre entdeckt. Rohe Fisch-Teilchen mit bestem Meersalz, bestem Olivenöl, Zitrone oder bestem Essig kurz und vorsichtig mariniert, vielleicht noch ein wenig Kräuter oder Mayonese oder Pesto oben drauf und fertig sind hervorragende, stets erfrischende, sehr schmackhafte Vorspeisen – sie alle kennen gebeizten Lachs, das ist sehr ähnlich. Ich würde behaupten, diese Welle ist von Amerika nach Europa geschwappt und Italien hat Pesce Crudo, wie Carne Cruda (Tartar), in die eigene Küche assimiliert und treibt diesen Gerichtskanon nun in immer neue Höhen. Ich ertappe mich immer häufiger, dass ich Resturants in Italien danach auswähle, wie umfangreich die Rohe-Fisch-Abteilung auf der Speisekarte daher kommt. Je älter ich werde, desto mehr nerven mich auch die Preisentwicklung der selbsterklärten Spitzengastronomie (die dann oft halt doch keine ist) oder der traditionsreichen Genusstempel in den Großstädten, die meinen, allein ihr Namensschild rechtfertigt saftigste Rechnungen. Da ist Mailand natürlich auch keine Ausnahme.
Aber, gelobt sei Bella Italia, es gibt sie doch, die versteckten Osterias and Trattorias, die hauptsächlich fürs Stadt-Viertel und die Stammgäste kochen, also höchsten Ansprüchen an gehobene Hausmanns- oder Hausfrauen-Kost genügen müssen, in denen man herrlich tafeln kann. Eine, deren hohes Lied wir heute singen wollen, ist die Osteria Mamma Rosa, die seit 1986 am Piazza Cincinnato 4, ihre wunderbaren kulinarischen Kreise zieht. Bei unserem letzten Mailand Besuch waren wir an fünf aufeinanderfolgenden Abenden dort Gast und haben die großartige Speisekarte vielleicht zu einem Drittel durchprobiert. Crudo Pesce in einer wunderbaren Vielfalt, Pasta zum Verlieben und frische Fische schörkellos, ohne jedes Chi-Chi zubereitet, so perfekt, wie es sein soll und doch gibt es immer weniger Köche, die diese Kunst der Reduktion beherrschen. Natürlich sind auch alle Fleisch-Klassiker in bester Qualität vertreten. Dazu präsentiert sich eine Weinkarte, die ihresgleichen sucht, ein Team im Service, das richtig Spaß habt, wenn es dem Gast gefällt und - jetzt kommts das alles zu vollkommen zivilen Preisen. Das geht, das geht im Zentrum Mailands. Jeden Abend ein ausgebuchtes Haus, die Tische werden zwei bis drei Mal am Abend gedreht, es ist jeden Tag geöffnet, von 12:00 Uhr bis 23:30 durchgehend.